Gründer und Chairman TLGG GmbH
Keynote-Sprecher
1 - Herr Bornschein, es gibt viele Definitionen von Künstlicher Intelligenz. Was verstehen Sie darunter und was hat das mit Kommunen zu tun?
In ihrer einfachsten Form ist Künstliche Intelligenz eine Form von „Advanced Analytics”, also dem Gewinnen von Erkenntnissen aus gewaltigen, für Menschen kaum zu erfassenden Datenmengen. Sie ist also eine Art Entscheidungsautomatisierung, die sich auf bestimmte Muster, ausgewählte Schwerpunkte und erwünschte Ergebnisse trainieren lässt. Das kann ein Text, Video oder Bild sein, aber eben auch ein Werkzeug zur Tumorerkennung, Verkehrsplanung, Maschinenwartung oder zum autonomen Fahren. In Kommunen werden täglich und auf etlichen komplex miteinander verwobenen Ebenen Entscheidungen getroffen. Künstliche Intelligenz ist ein Weg, die nötigen und sinnvollen Datenmengen zu erfassen, zu analysieren und zu klugen, effizienten und nachhaltig wirksamen Entscheidungen zu kommen – und zugleich Ressourcen freizusetzen, die sich statt kleinteiliger Fleißarbeit kommunal wertvollen Aufgaben widmen können.
2 - Ist das denn überhaupt etwas für kleine und mittlere Kommunen? Können Sie uns Beispiele nennen?
Der Einsatz von KI ist vor allem in zwei Bereichen sinnvoll und vergleichsweise einfach umzusetzen. Zum einen gilt dies dort, wo datenbasiert Entscheidungen getroffen werden – etwa bei der Stadt- und Verkehrsplanung oder der Vergabe von Kindergartenplätzen. Zum anderen lassen sich Vorgänge automatisieren, die ohnehin sehr strengen Mustern folgen – Anträge auf Ausweise, Zulassungen oder Leistungen lassen sich auch mit Chatbots erledigen. Wo kleine und mittlere Kommunen Ressourcen für menschennahe und sinnstiftende Arbeit freisetzen, der Nachhaltigkeit dienende Entscheidungen treffen oder etwa dem Fachkräftemangel in der Verwaltung begegnen wollen, bietet KI vielversprechende Ansätze.
3 - Kommunale Daseinsvorsorge heißt auch Verantwortung für sensible Bereiche: Was sollte daher beim Einsatz von KI im kommunalen Kontext besonders beachtet werden?
Zunächst gilt, was in Zeiten des Fortschritts immer gilt: Wo Arbeit automatisiert wird, werden Stellen verschwinden. Dessen sollten sich Gemeinschaften und Organisationen aller Art bewusst sein und entsprechende Vorsorge treffen – durch Weiterbildung, die Schaffung neuer Stellen und Positionen, die Aufwertung von Berufen etwa in Pflege und Bildung. Ein spezifisches KI-Problem ist, dass auch falsche Entscheidungen automatisiert werden können, wenn die zugrundeliegende Datenbasis und das Training der Systeme bereits vorhandene Voreingenommenheiten, Ungleichbehandlungen und Fehler schlicht replizieren. In Österreich wird über ein Jobcenter-System gestritten, das bei der Bewertung ihrer Jobchancen Frauen und Ältere diskriminiert. In den Niederlanden wurden durch automatisierte rassistische Diskriminierung zahlreiche Familien um ihren Kindergeldanspruch gebracht. Beiden Herausforderungen lässt sich durch die bewusste und sorgfältig geplante Umsetzung und Implementierung von KI-Projekten begegnen. Die Vorteile, die der Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Führung und der Verwaltung von Kommunen bietet, rechtfertigen die intensive Beschäftigung und Vorbereitung.